breathing bones english - deutsch
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Ein Yoga Asana kann einfach eine mechanische Aktion sein, eine Übung. Das passt schon, wenn es das ist, was du willst. Ist es das, was du willst? Wenn dir nach mehr zumute ist, dann lass die Formen aus dir entstehen, anstatt dich gehorsam in die Formen hineinzuzwingen.

Wir empfangen die Schwerkraft auf dieselbe Weise wie wir uns ihr hingeben. Es ist dieser Austausch, der uns von der Erde her leicht macht. In dieser wechselseitigen Beziehung entsteht eine rückfedernde Kraft.

Es bist nicht du, die sich dem Asana anpassen muss. Das Asana muss sich auf dich einstellen.

Bonnie Bainbridge Cohen

 

Yoga ist in erster Linie ein Zustand, der möglicherweise immer schon, aber umso mehr in unserer Zeit der Rastlosigkeit und der digitalen Überfütterung ein Nischendasein fristet.

 

„Yoga ist der Zustand, in dem die Bewegungen des meinenden Selbst in eine dynamische Stille übergehen.“

Yoga Sutra , Übersetzung: Sriram

 

Diese Übersetzung des zweiten Verses des Yoga Sutra empfinde ich als  ein Juwel. Für mich naheliegenderweise deshalb, weil ich von der Craniosacralen Biodynamik geprägt bin, in der „Dynamische Stille“ einer der zentralen Begriffe ist. Was mir daran aber fast noch besser gefällt, ist die Tatsache, dass sie im Unterschied zu den meisten anderen Übersetzungen eben kein Element des „Machens“ beinhaltet. 

Der Begriff des Yoga“übens“ ist nicht einer, mit dem ich persönlich sehr viel anfangen kann. Ich übe pflichtbewusst und regelmäßig, weil ich bei allem, was ich regelmäßig und fleissig mache, zwangsläufig immer „besser“ werde… ernsthaft? Meiner Erfahrung nach - natürlich ist es nicht mehr aber auch nicht weniger als meine ganz persönliche Erfahrung, aber es ist die einzige, aus der ich schöpfen kann - „funktioniert“ Yoga nicht so. Yoga ist ein Zustand und keine Leistung; vielleicht eine Errungenschaft, aber keine, die zwangsläufig aus einer Bemühung heraus entstehen muss. Ein Zustand tritt ein oder er tritt nicht ein. Mühe und Pflichtbewusstsein können Stolpersteine sein, gerade weil sich das Ego so gerne an Formen und Vorstellungen heftet.

Der Zustand des Yoga, so wie ich ihn erfahre, ist ein scheues Tier. Ich kann mich ihm behutsam annähern. Ich kann ihn einladen, sich für ein Weilchen in mir niederzulassen und zu entfalten, bevor ihn die laute Welt oder meine eigene Unrast wieder in die Flucht schlägt. Denn dass er dauerhaft bei mir bliebe, ist unrealistisch. Aber jedesmal, wenn ich in ihn eingetaucht bin, nährt er mich zutiefst.

Der Zustand des Yoga kann (wie ich meine: muss) im Körper und durch den Körper erfahren werden. Wir sind nun einmal als Körperwesen geboren und können lernen, das Beste aus dieser Vorgabe zu machen. Das gymnastische Element hat meinen Unterricht zwar im Laufe der Jahre durch die Hintertüre verlassen, dennoch ist mein Ansatz durch und durch „somatisch“, also körperorientiert. Ich verstehe ihn als eine Einladung, Bedingungen im Körper zu schaffen, die dazu förderlich sind, den Zustand des Yoga erfahrbar zu machen, Räume im Körper zu öffnen, in denen er sich ausbreiten kann. Eine somatische Herangehensweise lässt Formen von innen nach aussen wachsen und bietet Alternativen, wo sich aus Unbewusstheit und/oder Anhaftung Muster im Körper verfestigen wollen. „Fortschritte“ auf dem Weg äussern sich als eine Zunahme von Hingabe und Vertrauen in die Weisheit des Körpers, in der radikalen Hinwendung zu ihm hin, um über ihn hinaus in den Zustand des Yoga hineinzuwachsen, ohne sich dabei zu verlieren. 

 

Is it possible to have a different attitude in which a new intelligence not imposed by authority, but born from interest, attention and sensibility, will emerge and in which body and mind, fused in one single action, are collaborating together.

Movement is the song of the body.

Vanda Scaravelli

 

Auf meinem eigenen Weg voranschreitend, verspüre ich tiefe Dankbarkeit gegenüber jenen meiner Lehrerinnen, die mich in die vielfältige Welt des durch Vanda Scaravelli inspirierten Yoga eingeführt und über viele Jahre begleitet haben. Von jeder einzelnen von ihnen konnte ich mir viel Wichtiges mitnehmen und für mich transformieren. Jegliche Anregung, wie die Wirbelkette zum Leben erweckt werden kann, bietet unendlich wertvolle Impulse, sich in der eigenen Achse sicher und zuhause zu fühlen. 

Ein Füllhorn an Möglichkeiten, über kleine und einfache Bewegungen neue Verbindungen im Körper wachzukitzeln, die auch abseits dieser Achse liegen, finde ich in der Feldenkraispraxis. Mich faszinieren die dadurch zu erzielenden Auswirkungen auf das emotionale Befinden, das Im-Leben-Stehen, die Fähigkeit, flexibel auf wechselnde Anforderungen zu reagieren. Eine große Bandbreite an Bewegungsanreizen wird geboten, um „die Grenzen dessen zu erweitern, was einem möglich ist; ihm beizubringen, dass er auch könne, was er vermag; ihm das Unmögliche möglich machen, das Schwierige leicht, das Leichte angenehm.“ (Moshe Feldenkrais)

Auch die angewandte Anatomie etwa in Gestalt des Body Mind Centering ist für mich eine große Inspirationsquelle, mit seiner Hinwendung zu den im Hier und Jetzt erfahrbaren Qualitäten aller Körpersysteme, über den Bewegungs- und Atemapparat hinaus. Hier tun sich etwa in der Hinwendung zu den Organen überraschende Möglichkeiten und Erfahrungsräume auf. Lernen wird definiert als ein „Dialog zwischen gegenwärtiger zellulärer und vergangener, im Nervensystem gespeicherter Erfahrung“. (Bonnie Bainbridge Cohen)

Und schließlich das Hinauswachsen über die kulturell geformte Anatomie (die es uns ermöglicht, in unserem Alltag auf zufriedenstellende Weise zu funktionieren). Dieser Begriff (cultural anatomy) geht auf Emilie Conrads zurück, Begründerin der somatischen Bewegungskunst Continuum Movement, das in naher Verwandtschaft zur Craniosacralen Biodynamik steht. Hier wird es möglich, einen Zustand der ursprünglichen Anatomie (primordial anatomy) zu erfahren, der sich wesentlich weniger dicht und konditioniert, wesentlich fluider anfühlt und der das soziale Nervensystem zum Erblühen bringt. 

Es fließt also manches in mein Yoga ein, das mir hilft, meinen eigenen Körper und die Körper meiner Schüler/innen aufnahmebereit für den Zustand des Yoga zu machen. Ich weiss nie, wohin die Reise als nächstes geht. Der Weg erschließt sich im Gehen und über die Begegnung mit inspirierenden Menschen. Und so ist mein Unterricht eine Einladung, mich auf dieser Entdeckungsreise ein Stück weit zu begleiten. So können wir alle gemeinsam forschen, wachsen und authentisch in die Welt hineinwirken.

Und am Ende, abseits aller formverliebter Definitionen, ist es auch immer noch Yoga, worauf alles hinausläuft… „der Zustand, in dem die Bewegungen des meinenden Selbst in eine dynamische Stille übergehen.“

 

Und so musst du dein eigener Lehrer und dein eigener Schüler sein, es gibt keinen Lehrer ausserhalb von dir, keinen Weisen, keinen Meister; du selbst bist für deine Veränderung zuständig, und deshalb musst du lernen zu beobachten, dich selbst kennenzulernen. Das Lernen über sich selbst ist eine faszinierende und freudvolle Angelegenheit. 

Jiddu Krishnamurti